Die „Identitäre Bewegung“ ist mit ihrer
Selbstinszenierung über Social Media höchst erfolgreich, obwohl sie im
deutschen Alltag – im Unterschied z. B. zu Frankreich — noch relativ klein ist.
Beleuchtet werden beim Podiumsgespräch die Geschichte der identitären Bewegung, ihre ideologischen Hintergründe sowie die Strukturen und Strategien der Vermarktung.
Fabian Jellonnek ist ein herausragender Experte in dieser Thematik. Er arbeitete als Berater gegen Rechtsextremismus und leitete den Bereich politischer Extremismus bei Jugendschutz.net.
Jellonnek ist Gründer der Organisation Achtsegel.org. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung von Strategien gegen Hate-Speech und rechtspopulistische Propaganda im Netz.
Wie menschenverachtend, wie gefährlich ist
das Gedankengut der Identitären für unsere demokratische Ordnung?
Hier vorab schon mal einige Antworten auf diese Frage:
Sie streben eine nationale Homogenität an.
Sie wollen keine Fremden und keine Vermischung der Kulturen.
Personen aus der Nazizeit werden reingewaschen.
Für die Identitäre Bewegung ist die Gegenwart dekadent, weil sie Menschen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen oder mit Behinderungen akzeptiert.
Bei der herbeigesehnten bürgerkriegsähnlichen Situation würden Genderforschung, Antidiskriminierungsgesetze und die Sozialhilfe wegfallen.
Man arbeitet mit Begriffen wie „Kopftuch“,“Integrationslüge“,“oder „Volksverrat“, um die Hegemonie über den öffentlichen Diskurs zu erhalten.
Man versucht eine bürgerliche Fassade mit rebellischem Gestus aufzubauen, um junge Menschen für eine sogenannte „Mitmachbewegung“ zu gewinnen. Die tatsächlichen Strukturen sind jedoch geschlossen und hierarchisch.
Niedrigschwellige Kontaktangebote werben für rassistisches Gedankengut oder für Aktionen gegen die liberale Demokratie.
Die Identitären sind gut vernetzt mit der AFD und deren Jugendorganisation.
Literaturtipp: Expertise von F. Jellonnek und P. Reinesch zur Mediennutzung der Neuen Rechten – darin auch zur Identitären Bewegung: hier
Kommenden Sonntag (27. Jan.) wird Richard Brox um 17 Uhr zu einem Podiumsgespräch ins Mörfelder Museum kommen.
Brox
ist Deutschlands sog. „berühmtester Obdachloser“. Er lebte 30 Jahre lang auf
der Straße.
Er arbeitete mit Günter Wallraff zusammen, beriet ihn bei seinem Film „Unter null“ und ist nun selbst Bestsellerautor.
In seinem Buch „Kein Dach über dem Leben“ beschreibt er eindrucksvoll seine schwierige Kindheit u.a. mit Gewalterfahrungen in Kinder– und Jugendheimen, anschließend Drogen– und Alkoholsucht und Obdachlosigkeit.
Wer auf der Straße lebt, muss lernen, Gewalt, Hass, Hunger und Kälte zu ertragen. Für Richard Brox war die Straße aber auch ein Ort der Freiheit und Selbstbestimmung. Als Berber hat er seine Würde nie verloren. Er schaffte den Neuanfang und schaltete eine Webseite mit Tipps, Adressen und Bewertungen von sozialen Anlaufstellen für „seine Brüder“. So wurde er zu Deutschlands berühmtesten Obdachlosen.
Jetzt
hat er seine Biografie geschrieben, hat sich seinen Traumata und Ängsten
gestellt.
Mit
dem Geld, das er über sein Buch und über Vorträge einnimmt, will er ein Hospiz
und Hotel für Obdachlose gründen, will nun die Hilfe, die er selbst erfahren
hat, weitergeben.
Mit ihm spricht Ulrike Holler über Notunterkünfte, Anlaufstellen, Armut in Deutschland, Hartz IV, den Mangel an Wohnungen und über den Umgang der Behörden mit Obdachlos
Vorab-Telefoninterview des Schülerpraktikanten Lukas Maurer mit Richard Brox:
Herr Brox, Sie sagen in Interviews, dass die Obdachlosen in vielen Unterkünften wie Dreck behandelt werden. Was meinen Sie konkret damit?
Zum Beispiel: Du kommst in eine Notunterkunft, dort gibt es zwei Toiletten. Die eine ist kaputt oder abgeschlossen und die andere ist einfach dreckig. Und wenn du wenigstens Toilettenpapier haben möchtest, antwortet dir der Mitarbeiter: „Du kannst ja wieder gehen, wenn es dir hier nicht passt.“ Ein anderes Beispiel: Das Bett, das dir zugewiesen wird, stinkt nach dem Urin des Vorgängers. Wenn du dich darüber beschwerst, antwortet dir der Betreuer wieder das gleiche.
Grundsätzlich
sollte man beim Schlafen den Hautkontakt mit dem Bett vermeiden, um sich keine Krankheiten,
wie zum Beispiel die Krätze, Virenerkrankungen oder Kopfläuse zu holen. Außerdem
teilst du dein Zimmer normalerweise mit vielen anderen Personen. Die meisten
Obdachlosen sind krank, viele sind HIV positiv. Und wegen den vielen Konflikten
untereinander ist es wichtig, dass an Wochenenden und Feiertagen auch nachts
Betreuer da sind, die man im Zweifelsfall ansprechen kann. Die verschiedenen Gruppen — Alkoholiker,
Drogenabhängige, Spielsüchtige oder psychisch Kranke — soll man untereinander
leben lassen, aber nicht versuchen sie zusammen zu bringen, weil es sonst leicht
zu Konflikten kommen kann.
Das Leben auf der Straße ist sehr hart ist. Kann man sich denn irgendwie dagegen schützen?
Wir alle wissen, wie wichtig es ist, dass wir uns wieder verstärkt öffentlich engagieren: Die wachsende Wählerschaft für rechtspopulistische Parteien ist in sehr vielen europäischen Ländern erschreckend. Auch die Tendenz, autoritäre Politiker und autokratische Systeme zu unterstützen, nimmt zu. Und natürlich gilt: Keine Demokratie ohne demokratisches Engagement der Bürgerinnen und Bürger.
Daher haben wir für diesen Jahrestag in beiden Stadtteilen Aktionen vorbereitet:
Am Nachmittag in Mörfelden:
Um 15:30 treffen wir uns vor dem Mörfelder Rathaus, bilden eine Menschenkette und zitieren dazu prägnante Passagen aus Stéphane Hessels berühmter Schrift „Engagiert euch!“
Stéphane Hessel (1917 — 2013) stammt aus Berlin, emigrierte mit seiner Familie nach Frankreich, leistete dort Widerstand, wurde verhaftet, floh nach England, kam illegal für die Resistance nach Frankreich zurück, wurde erneut verhaftet und ins KZ Buchenwald deportiert. Nach Kriegsende wurde er UNO-Diplomat und formulierte die allgemeine Menschenrechtserklärung mit.
2010 schrieb er im Alter von 93 Jahren den energiereichen Text “Empört Euch!”, der innerhalb kürzester Zeit in 40 Sprachen übersetzt und millionenfach verkauft wurde.
Am Abend in Walldorf:
Um 18:00 treffen wir uns an diesem Tage in Walldorf, bilden eine Menschenkette vom Horváth-Zentrum bis zum buddh. Friedenszentrum und lesen dabei die vor 70 Jahren in Paris verkündete Allgemeine Menschenrechtserklärung.
Unterstützerorganisationen sprechen zudem in beiden Stadtteilen eigene Statements.
19:00 im buddh. Zentrum: Videoschaltungen nach Paris und Genf, Musik mit „Oriental Jazz Quartett“ und ein kurzer Vortrag von Nicole Broder, Mitarbeiterin des Bildungszentrums Anne Frank und anschließend natürlich die Möglichkeit zur Diskussion.
Claus Leggewie ist Professor für Politik– und Kulturwissenschaftler, Mirbegründer und Direktor des Zentrums für Medien und Interaktivität von 2001 — 2007 — mit Forschungsaufenthaltenn und Gastprofessuren in Berlin, Wien, Paris, New York. Von 2007 bis August 2017 leitete er das Kulturwissenschaftliche Institut Essen (KWI). Zum Wintersemester 2015/16 wurde er vom Präsidenten der Justus-Liebig-Universität als erster Amtsinhaber auf die Ludwig Börne-Professur berufen. Seine Forschungsschwerpunkte sind vielfach interkulturelle Fragen wie z.B.: Voraussetzungen und Folgen der kulturellen und religiösen Globalisierung, europäische Erinnerungskonflikte und Geschichtspolitiken, Demokratisierung nichtwestlicher Gesellschaften etc.
Navid Kermani schrieb über ihn: “Claus Leggewie behandelte 1990 die multikulturelle gesellschaft nicht als etwas, das man ablehnt oder befürwortet, begrüßt oder verabschiedet, sondern als eine Wirklichkeit, die in ihrer Vielfalt zu beschreiben, zu analysieren und zu gestalten ist.”
Leggewie beschreibt zu Beginn des Podiumsgespräches die Entwicklung der AfD von der europa– und eurokritischen Anfangsphase bis hin zu rechtspopulistischen und auch rechtsextremen Positionen:
“Im Wechsel der Parteispitze von dem Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke über Frauke Petry zu Alexander Gauland und mit dem wachsenden Einfluss völkisch-autoritärer Politiker wie Björn Höcke und der außerparlamentarischen Pegida-Bewegung verlagerte sich der Schwerpunkt im Verlauf der „Flüchtlingskrise“ auf den Widerstand gegen Immigration v.a. arabischstämmiger und afrikanischer Flüchtlinge und gegen den Islam. Die AfD möchte die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit und die angebliche „Umvolkung“ Europas beenden. Ihr Schwerpunkt hat sich so von wirtschaftsliberalen zu ethno-nationalistischen Positionen verschoben; „populistisch“ bleibt die Mobilisierung gegen politische, mediale und intellektuelle Eliten.”
Zahlreiche Oberstufenschüler*innen der Ricarda-Huch-Schule Dreieich, der Bertha-von-Suttner-Schule Mörfelden-Walldorf und der Dreieich-Schule Langen bereiteten sich inhaltlich auf das Podiumsgespräch mit ihm vor.
Leggewie sagt zur Frage der Schüler*innen wohin dies führen kann: “Wo die Rechte erfolgreich bei Wahlen ist, kann dies zu einer Dominanz ihrer Themen in den Medien und die Regierungsbildung bzw. –fähigkeit erschweren, auch zur Einbeziehung in Koalitionen führen, die das politische Spektrum nach rechts verschieben. Wo die Rechte die Regierung stellt, kommt es zur Aufhebung von Bürgerrechten und zur Zerstörung der Gewaltenteilung, bei Widerstand dagegen auch zu Staatsstreichen und Bürgerkriegen und zu Spannungen in der internationalen Politik.”
Zur Frage der Oberstufenschüler*innen, was man denn dagegen tun könne, betont Leggewie als erstes, dass er — trotz der realen Gefahren, die er sehr wohl sehe, gewiss kein Fatalist sein. Doch man dürfe sich thematisch nicht mehr von der AfD beherrschen lassen, müse endlich wieder zu den wirklich bedeutsamen Themen wechseln wie z.B. Klimaschutz, sozialer Wohnungsbau, Beseitigung des Stadt-Land-Gefälles, Vertiefung der europäischen Union … Die Mobilisierung, das Engagement der Demokraten sei jetzt gefragt: Information und aktives politisches Engagement in Parteien, Gewerkschaften, Bürgerinitiativen!
Leggewies neuestes Buch heißt: “Europa zuerst! Eine Unabhänggkeitserklärung.” Darin schreibt er: In der heutigen politischen Debatte spielt der europäische Rechtspopulismus mit fremdenfeindlichen Parolen eine viel zu große Rolle. Doch längst haben starke Gegenbewegungen gebildet, die sich ein freiheitliches, weltoffenes, gerechtes Europa nicht nehmen lassen wollen …”
Mit genauem Blick beschreibt und analysiert Claus Leggewie, einer der wichtigsten Politologen Deutschlands, verschiedene proeuropäische Basisbewegungen und Netzwerke in verschiedenen Ländern des Kontinents: neue Parteien, Vereinigungen , NGOs. Er macht deutlich, warum sie die wahren Europäer sind, wie sie europafeindlichen Strömungen entgegentreten, aber auch, wie man den Stillstand der europäischen Institutionen überwinden kann. Leggewie macht Hoffnung: Das Europa der Zukunft ist basisdemokratisch, kosmopolitisch, bürgernah und sozial gerecht.
Tarek Al-Wazir, hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, hatte uns 2017 bei der Finanzierung der Dachbegrünung finanziell unterstützt und damals zugleich die Schirmherrschaft für einen zusätzlichen Sponsorenlauf übernommen. Nur so war es möglich, dass die Grundidee der Architektur des Horváth-Zentrums, der “aufgeklappte Waldboden” realisiert werden konnte.
Damals luden wir ihn ein, sich von dem Gebäude und der Arbeit der Stiftung selbst vor Ort einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Am 11. Juli 2018 kam er im Rahmen seiner “Sommertour” zu uns und nahm sich viel Zeit für zahlreiche Beiträge von uns, aber auch für Einzelgespräche, die er hinterher mit vielen der Anwesenden führte.
Klara Strompf schloss an die Redebeiträge von Katja Schüler und Eva Szepesi an. Sie stellte 1996 den Kontakt zu Margit Horváth her, die Überlebende des Walldorfer Lagers, die schließlich 2004 Namensgeberin unserer Stiftung wurde. Klara Strompf arbeitet seither unermüdlich mit bei der Recherche nach Überlebenden des Walldorfer Lagers. Als sie das erste Mal hörte, dass sie hier in Walldorf eine Wohnung direkt neben einer ehemaligen KZ-Außenstelle gemietet hatte, wollte sie spontan: nur weg von hier! Nun — so formulierte sie — komme sie öfters hierher, um innerlich Ruhe zu finden. Zwei aufwühlende Jahrzehnte des Engagements liegen hinter ihr, doch das Gebäude ist nun Zeichen dafür, dass wir etwas Neues schaffen konnten — gerade auch für die Jugend. Ihre Eindrücke von diesem Tag drückt sie noch am gleichen Abend in einem wunderschönen kurzen Videofilm aus.
Die Tafel 14 des Historischen Lehrpfades, der seit November 2000, rund um das Gelände der ehemaligen KZ-Außenstelle Walldorf führt, wurde am 10. Juni 2018 vorsätzlich abgebrannt.
Um ein Zeichen zu setzen gegen eine solche Tat versammelten sich am 21. Juni 2018 engagierte Mitbürgerinnen und Mitbürger sowie Schüler aus Ecuador, die sich mit den Lehrern ihrer Partnerschule in Dreieich (Ricarda-Huch-Schule) am Vormittag über die Geschichte der KZ-Außenstelle informiert hatten, zu einer Protestveranstaltung, bei der verschiedene Mitglieder der Stiftung, verschiedene Geschichtslehrer der Bertha-von-Suttner-Schule (Dreieich) und der Ricarda-Huch-Schule und natürlich auch einige Jugendliche sprachen.
Junge Leute aus dem Rhein-Main-Gebiet skypen über mehrere Wochen hinweg mit Jugendlichen aus Teheran. Wie lebt man dort? Welche Musik mögen sie? Wie ist es mit der Stimme der Frauen im Iran? Wie mit dem Kopftuch/Hijab? Wo treffen sich die jungen Leute? Wie ist das Verhältnis zwischen Privatheit und Öffentlichkeit oder zwischen Staat und Gesellschaft? Wie ist es mit dem Sport? Wer geht bei Fußballspielen ins Stadion und wer nicht? … All dies und noch viel mehr diskutierten die jungen Leute lebhaft untereinander per Skype oder auch Whatsapp.
Unser Rundfunksender ist: “RADIO X” — das unabhängige und werbefreie Frankfurter Stadtradio
zu hören als Livestream oder im Radio unter FM Frequenz 91,8.
Im Studio stellten wir auf der Grundlage der davorliegenden lockeren Gespräche gezielt nochmals einzelne Fragen, die wir nun aufnahmen und für die Sendung schnitten. In einer Collage mit Livegesprächen mit den jungen Leuten in Frankfurt konnten wir am 16. März 2018 unsere erste Sendung im Studio in Frankfurt-Bockenheim produzieren. Moderatorin war Ulrike Holler, über Jahrzehnte bekannt als HR-Journalistin, in der Horváth-Stiftung seit Gründung im Juli 2004 aktiv.
Unser großer Dank gilt unseren Teheraner Freunden und natürlich Radio X, die uns diese einstündige Sendung ermöglichte!
Den vollständigen Mitschnitt unserer Sendung vom 16. März finden Sie hier.
Wir überlassen der Neuen Rechten weder die öffentlichen Räume noch den öffentlichen Diskurs” — ein zentraler Slogan der Organisation “Achtsegel”.