Zur Biografie von Margit Horváth
Margit Horváth steht als Namensgeberin der Stiftung stellvertretend für die 1.700 hier ehemals inhaftierten jungen ungarischen Jüdinnen.
Sie war von August bis November 1944 in der KZ-Außenstelle Walldorf inhaftiert. Ihre Bereitschaft, nach Jahrzehnten des Schweigens und der
ausdrücklichen Distanz zur deutschen Gesellschaft, im hohen Alter doch noch zu erzählen, sich immer wieder aufs Neue dem Schmerz der Erinnerung an das unvorstellbare Grauen auszusetzen, trug entscheidend dazu bei, dass die Geschichte des Außenlagers Walldorf so detailliert und biographisch differenziert aufgearbeitet werden konnte. Ihr Handeln wirkt weit über ihren Tod hinaus.
„Als der Gedenkstein für die KZ-Außenstelle Walldorf 1980 eingeweiht wurde, war ich dabei…
Aber ich habe zu niemandem etwas gesagt. Ich konnte nicht darüber sprechen. Ich wollte nicht. Mit meinem Sohn Gábor bin ich oft hier gewesen. Immer wieder sind wir den Weg entlang gelaufen … Jetzt bin ich alt. Sie fragen mich, was damals hier passierte mit mir und all den anderen Frauen…? Es ist nun das erste Mal, dass ich erzähle: Ich bin 1911 geboren; meine Familie stammt aus Kolozsvár in Siebenbürgen. In meiner Kindheit gehörte es zu Rumänien, später zu Ungarn.
Wir waren sechs Geschwister und hatten ein schönes Familienleben. Unser Vater war Rechtsanwalt, ein wohl angesehener Mann in der ganzen Stadt. Wir Kinder haben alle das Gymnasium besucht; wir sind zweisprachig
aufgewachsen: rumänisch und ungarisch. Nach Abschluss der Schule habe ich eine Ausbildung als Gerichtsassistentin gemacht, meine Schwester hatte einen Hutsalon. Als unsere Gegend wieder zu Ungarn kam, wurde das Leben für uns als jüdische Familie immer schwerer. Im März 1944 marschierten die deutschen Truppen ein. Von da an ging alles sehr schnell: Wir mussten den Davidstern tragen, dann ins Ghetto und wenige Wochen später waren wir alle in Auschwitz, die Großmutter, meine Schwestern mit ihren Kindern, Onkel, Tanten …
insgesamt waren wir aus unserer Familie 74 Personen. Alle im gleichen Zug, in diesen Viehwaggons — Richtung Auschwitz. Mein Vater hatte noch seine Aktentasche dabei mit Referenzen, Empfehlungsschreiben, verschiedenen Dokumenten und Urkunden. Er dachte, das würde ihm etwas nutzen in Auschwitz. So war er … Aber Sie wissen, was dort mit älteren Herren geschah. Mit meiner jüngeren Schwester Irma und mit Tante Jolan kam ich im August 1944 von Auschwitz hierher nach Walldorf. Wir gehörten zu den 1.700 Frauen, die damals auf dem Frankfurter Flughafen arbeiten mussten. Wir haben viel geweint nach all den Kindern, die in Auschwitz geblieben sind. Auch meine ältere Schwester ist dort vergast worden mit ihren drei kleinen Kindern. Immer wieder frage ich mich, warum gerade ich überlebt habe. Dies tun wir alle. Alle Frauen, die überlebt haben, wollten danach vor allem eines: ein Kind zur Welt bringen. Bei vielen ging es nicht mehr. Ich hatte Glück. Ich habe Gábor 1948 geboren. Sein Vater war auch in Auschwitz gewesen. Ihm ging es so wie mir…“