Satzung der Margit-Horvath Treuhandstiftung
Präambel
Lili Jodelsohn, Überlebende der KZ Außenstelle Walldorf, schreibt im Herbst des Jahres 2000 an die Stadt Mörfelden-Walldorf:
“Wir tragen alle in uns eine narbige Seele und eine Bitterkeit, die niemals verschwinden wird. Wörter können niemals die Verletzungen und die Schmerzen beschreiben, die wir erfahren haben. Aber heute – nach diesen Erfahrungen – ist es mein einziger Wunsch, dass alle Menschen Toleranz zeigen und Respekt voreinander – unabhängig von der Hautfarbe, der Rasse, der Nationalität oder Religion. Wir sollten uns gegenseitig helfen, so sehr wir nur können.”
Sie ist eine der 1.700 ungarischen Jüdinnen, die von August bis November 1944 in der KZ Außenstelle Walldorf inhaftiert waren. Ihre Grundhaltung steht stellvertretend für die aller Überlebenden der KZ Außenstelle Walldorf. Dies sei der Leitgedanke in dem Wirken der Stiftung.
Auch Margit Horváth ist eine der Überlebenden. Ihre Bereitschaft, nach Jahrzehnten des Schweigens und der ausdrücklichen Distanz zur deutschen Gesellschaft, im hohen Alter doch noch zu erzählen, sich immer wieder aufs Neue dem Schmerz der Erinnerung an das unvorstellbare Grauen auszusetzen, trug entscheidend dazu bei, dass die Geschichte dieses Außenlagers so detailliert und biographisch differenziert aufgearbeitet werden konnte. Ihr Handeln wirkt weit über ihren Tod hinaus.
Margit Horváth steht als Namensgeberin der Stiftung stellvertretend für die 1.700 hier ehemals inhaftierten jungen ungarischen Jüdinnen.
Ihr Sohn, Gavriel Goldman, gab durch sein Verhalten den Impuls zur Gründung dieser Stiftung. Das sogenannte “Entschädigungsgeld” für die KZ-Haft von Margit Horváth ist der eigentliche Kern des Stiftungsvermögens. Allen Mitwirkenden der Stiftung sei dies eine besondere Ehre und Verpflichtung.
Menschenwürde, Toleranz, interkulturelle Verständigung, gegenseitige Hilfe, Respekt voreinander und Zivilcourage… sind die grundlegenden Werte des Stiftungsgedankens. Dies insbesondere bei jüngeren Menschen zu fördern und zu unterstützen, begreifen wir als ein Vermächtnis der Überlebenden des Holocaust.
§ 1 Name, Rechtsform
- Die Stiftung führt den Namen “Margit-Horváth-Stiftung”.
- Sie ist eine Treuhandstiftung des bürgerlichen Rechts. Es ist beabsichtigt, sie in absehbarer Zeit in eine rechtsfähige Stiftung umzuwandeln. Treuhänder ist die Stadt Mörfelden-Walldorf.
- Die Treuhandstiftung hat ihren Sitz in Mörfelden-Walldorf.
§ 2 Stiftungszweck
- Die Stiftung verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke.
- Zweck der Stiftung ist die Förderung von künstlerischen wissenschaftlichen oder soziokulturellen Projekten, bei denen in besonderer Weise die menschlichen Grundwerte Zivilcourage, Toleranz und interkulturelle Verständigung vorrangige Bedeutung haben. Besondere Förderwürdigkeit genießen innovative Projekte jüngerer Menschen. Projekte zur jüdischen Geschichte finden — im Hinblick auf die Namensgeberin der Stiftung — bei der Begutachtung möglicher förderwürdiger Projekte — besondere Beachtung. Intendiert ist es vom Stifter aber keineswegs, nur Projekte dieser Thematik zu fördern. Anträge zur Förderung eines Projektes müssen schriftlich eingereicht und gegebenenfalls zudem mündlich erläutert werden. Die Förderung besteht aus finanziellen Zuwendungen zur weiteren Realisierung der Projektziele. Zudem ist es die Aufgabe der Stiftung, für das Projekt einen geeigneten öffentlichen Rahmen herzustellen – zum Beispiel durch Ausstellungen, Vorträge, Symposien oder Diskussionsveranstaltungen, in deren Mittelpunkt jeweils die Thematik des als förderwürdig anerkannten Projektes steht.
- Die Stiftung ist berechtigt, Zuwendungen von Dritten anzunehmen. Sie bemüht sich um die Gewinnung weiterer Zuwendungen und Zustiftungen.
§ 3 Einschränkungen
Die Stiftung ist selbstlos tätig; sie verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke. Sie darf keine juristische oder natürliche Person durch Ausgaben, die dem Zweck der Stiftung fremd sind oder durch unverhältnismäßig hohe Unterstützungen, Zuwendungen oder Vergütungen begünstigen.
§ 4 Grundstockvermögen
- Die Stiftung wird mit einem Anfangsvermögen, bestehend aus der Schenkung von Herrn Gavriel Goldman, Sohn von Margit Horváth, ausgestattet.
- Die Stiftung ist berechtigt, Spenden und Zustiftungen entgegen zu nehmen. Mindestbeitrag für eine Zustiftung ist 1.000.-€. Zustifter erhalten eine Urkunde und werden mit fortlaufender Nummerierung im Stiftungsverzeichnis der Margit-Horváth-Stiftung eingetragen. Zustiftungen sind grundsätzlich für die Aufstockung des Grundvermögens zu verwenden, außer der Zustiftende stiftet zweckgebunden.
- Zur Gewährleistung der dauerhaften Tätigkeit der Stiftung wird eine jährliche Rücklage der Erträge von 15 % gebildet.
- Die Stiftung verpflichtet sich, den eigenen Verwaltungsaufwand so niedrig wie möglich zu halten, alle Mittel sparsam und wirtschaftlich zu verwenden sowie jährlich einen Bericht über die Verwendung zu veröffentlichen.
§ 5 Stiftungsmittel, Geschäftsjahr
Die Stiftung erfüllt ihre Aufgaben aus den nach Bildung der jährlichen Rücklage verbleibenden Erträgen. Sämtliche Mittel dürfen nur im Sinne des Stiftungszweckes verwendet werden. Geschäftsjahr der Stiftung ist das Kalenderjahr.
§ 6 Stiftungsorgane
Organe der Stiftung sind
das Kuratorium
der Stiftungsvorstand
Die Tätigkeit in den Stiftungsorganen ist ehrenamtlich. Anfallende Auslagen werden ersetzt.
§ 7 Kuratorium
- Das Kuratorium besteht aus mindestens sieben Mitgliedern. Diese sind bei Gründung der Stiftung:
- Gavriel Goldman, Stifter, Sohn von Margit Horváth (ehem. Inhaftierte der KZ Außenstelle Walldorf) oder eine von ihm zu benennende Person
- Agnes Gergely, Tochter von Klara Sarkadi (ehem. Inhaftierte der KZ Außenstelle Walldorf)
- als Vertreter der Stadt Mörfelden-Walldorf: Bürgermeister Bernhard Brehl
- als Vertreter einer jüdischen Gemeinde, möglichst aus dem Bereich der Jugendarbeit: Noemi Staszewski
- als Vertreterin einer weiterführenden Schule in Mörfelden-Walldorf: Margit Geffert-Holl, Lehrerin der Bertha-von-Suttner-Schule,
- als Vertreter einer weiterführenden Schule des Rhein-Main– Gebietes: Rainer Kurrat, Lehrer der Freien Waldorfschule Frankfurt
- als Vertreter/in einer wissenschaftlich-pädagogischen Einrichtung im Rhein-Main-Gebiet: Susanne Wiegmann, Geschäftsführerin der Jugendbegegnungsstätte– Anne-Frank, Frankfurt am Main
- als einer der drei “Erst-Entdecker” der KZ-Außenstelle Walldorf: Alfred J. Arndt
- Ulrike Holler, Journalistin, Hessischer Rundfunk
- Christiane Reeh, Rechtsanwältin, Frankfurt
- Helga Glanz, ehrenamtliche Mitarbeiterin bzgl. historische Recherche KZ Außenstelle Walldorf
- Helmut Kress, Bankfachmann, Mörfelden-Walldorf
- als Vertreter einer praxisorientierten pädagogischen Einrichtung des Rhein-Main-Gebietes: N.N.
Jede/r Kurator/in ist für vier Jahre bestellt. Durch Zweidrittelmehrheit ist es möglich zusätzliche Kurator/innen aufzunehmen. Diese/r ist zunächst auf ein Jahr als „Gast“ mit vollen Befugnissen bestellt. Seine Amtstätigkeit kann dann auf weitere vier Jahre verlängert werden. Jede/r Kurator/in benennt im Einvernehmen zwischen dem Kuratorium und der entsprechenden Stelle (Institution) einen Stellvertreter. Die Wiederbestellung ist zulässig. Im Falle, dass ein Kuratoriumsmitglied ausscheidet, benennt das Kuratorium im Einvernehmen mit der entsendenden Stelle eine/n Nachfolger/in. Ausscheidende Mitglieder bleiben bis zur Bestellung ihrer jeweiligen Nachfolger/in im Amt.
- Das Kuratorium wählt aus seiner Mitte eine/n Vorsitzende/n und eine/n Stellvertreter/in. Wiederwahl ist zulässig.
§ 8 Zuständigkeit des Kuratoriums
- Das Kuratorium entscheidet in allen grundsätzlichen Angelegenheiten und berät, unterstützt und überwacht den Stiftungsvorstand. Es hat insbesondere folgende Aufgaben:
- Wahl der Vorstandsmitglieder
- Beratung des Vorstandes
- Prüfung der Jahresabrechnung einschließlich der Vermögensübersicht
- Prüfung des Berichts über die Erfüllung des Stiftungszwecks
- Prüfung des Haushaltes
- die Verwendung der Stiftungsmittel
- die Entlastung des Stiftungsvorstandes
- Änderungen der Stiftungssatzung und Anträge auf Umwandlung, Aufhebung oder Zusammenlegung der Stiftung
- Der Vorsitzende des Kuratoriums vertritt die Stiftung.
§ 9 Geschäftsgang des Kuratoriums
- Das Kuratorium wird vom Vorsitzenden nach Bedarf, mindestens jedoch zweimal jährlich, unter Angabe der Tagesordnung und Einhaltung einer Frist von 28 Tagen zu einer Sitzung einberufen. Sitzungen sind ferner zu berufen, wenn mindestens ein Drittel der Kuratoriumsmitglieder dies verlangen.
- Das Kuratorium ist beschlussfähig, wenn ordnungsgemäß geladen wurde und mindestens 2/3 der Mitglieder, unter ihnen der Vorsitzende oder sein Stellvertreter, anwesend sind. Ladungsfehler gelten als geheilt, wenn alle Mitglieder anwesend sind und keiner von ihnen widerspricht.
- Das Kuratorium trifft seine Entscheidungen stets mit Zweidrittelmehrheit.
- Über die Sitzungen sind Niederschriften zu fertigen und von dem Vorsitzenden und dem von ihm beauftragten Schriftführer zu unterzeichnen. Sie sind allen Mitgliedern der Stiftungsorgane zur Kenntnis zu bringen.
- Bei dringlich zu treffenden Entscheidungen kann im Rahmen eines schriftlichen Umlaufverfahrens entschieden werden, außer Zweidrittel der Kuratoriumsmitglieder sprechen sich dagegen aus. In diesem Falle ist vom Kuratoriumsvorsitzenden eine außerordentliche Kuratoriumssitzung einzuberufen.
§ 10 Der Stiftungsvorstand
- Der Stiftungsvorstand besteht aus mindestens drei Mitgliedern. Vorstandsmitglieder sind zunächst für ein Jahr als “Gast” mit vollen Befugnissen tätig und können danach für weitere drei Jahr als ordentliches Vorstandsmitglied benannt werden. Die Wiederwahl ist zulässig. Ausscheidende Mitglieder bleiben bis zur Wahl ihrer jeweiligen Nachfolger im Amt.
- Der Stiftungsvorstand bestimmt aus seiner Mitte eine/n Vorsitzende/n sowie eine/n Stellvertreter/in.
- Mitglieder des Vorstandes dürfen nicht zugleich Mitglied des Kuratoriums sein.
§ 11 Aufgaben des Stiftungsvorstandes
- Der Stiftungsvorstand führt die laufenden Geschäfte und setzt die Beschlüsse des Kuratoriums um. Seine Aufgaben sind insbesondere
- Verwaltung des Stiftungsvermögens
- Verwendung der verfügbaren Mittel
- Erstellung einer ordnungsgemäßen Jahresabrechnung einschließlich einer Vermögensübersicht
- Fertigung eines jährlichen Berichtes über die Erfüllung des Stiftungszweckes
- Der Stiftungsvorstand vertritt die Stiftung gerichtlich und außergerichtlich. Für eine Vertretungsberechtigung sind zwei Mitglieder des Vorstandes erforderlich. Eines dieser Mitglieder muss dabei der Vorstandsvorsitzende bzw. sein/e Stellvertreter/in sein.
§ 12 Satzungsänderungen, Umwandlung und Aufhebung der Stiftung
- Satzungsänderungen sind zulässig, soweit sie zur Anpassung an veränderte Verhältnisse geboten erscheinen. Soweit sie sich auf die Steuerbegünstigung der Stiftung auswirken können, sind sie der zuständigen Finanzbehörde zur Stellungsnahme vorzulegen.
- Änderungen des Stiftungszweckes sind nur zulässig, wenn seine Erfüllung unmöglich wird oder sich die Verhältnisse derart ändern, dass er in der satzungsgemäßen Form nicht mehr sinnvoll erscheint.
- Bei Aufhebung oder Auflösung der Stiftung oder Wegfall des steuerbegünstigten Zweckes entscheidet das Kuratorium über die Verwendung des Restvermögens. Diese hat es unter Beachtung des Stiftungszweckes unmittelbar und ausschließlich für gemeinnützige Zwecke verwenden.
- Das Kuratorium darf erst nach Einwilligung des zuständigen Finanzamtes seine Tätigkeit aufnehmen und Beschlüsse fassen.
§ 13 Stiftungsaufsicht
- Die Stiftung untersteht der Aufsicht der Regierung des Landes Hessen.
- Der Stiftungsaufsichtsbehörde sind Änderungen der Anschrift, der Vertretungsberechtigung und der Zusammensetzung der Organe unverzüglich mitzuteilen.
§ 14 Inkrafttreten
Die Satzung tritt mit Genehmigung der Regierung von Hessen in Kraft.
Bernhard Brehl
Bürgermeister d. Stadt Mörfelden
(Treuhänder)
Gavriel Goldman
Stifter
(Sohn v. M. Horvath)