Unser Beitrag am 10. Mai: Belarus aktuell und die Bücherverbrennung 1933
Wir wollen unsere Serie nicht beenden ohne zumindest noch kurz auf die aktuelle Lage in Belarus einzugehen — am Beispiel von drei Journalistinnen.
Anschließend erinnern wir natürlich auch an die Bücherverbrennung, die heute vor 88 Jahren in allen größeren deutschen Städten stattfand — in Frankfurt abends 21 Uhr mitten auf dem Römerberg. Eine dort im Boden eingefasste große Plakette erinnert daran.
Verfolgung von drei Journalistinnen in Belarus
Freie Meinungsäußerung war auch vor der letzten Präsidentschaftswahl in Belarus nicht einfach, doch nach der Wahl am 9. August 2020 und den darauf folgenden Protesten und Demonstrationen wurde alles noch schwieriger. Die Demonstrierenden sahen gravierende Wahlfälschungen und erkannten Alexander Lukaschenko nicht als legitimen Präsidenten an. Die Proteste wurden stark von Frauen getragen.
Der belarussische Journalistenverband hat seit Jahresbeginn inzwischen mehr als 500 Fälle registriert, bei denen Rechte von Journalist:innen verletzt wurden und mehr als 100 Webseiten seien blockiert worden. Eine Reihe von Zeitungen können nicht mehr erscheinen. Mehr als 20 Journalist:innen seien in Haft.
Rund 150 ausländische Journalist:innen haben keine Akkreditierung mehr erhalten. In einem Interview mit der Deutschen Welle bezeichnete der stellvertretende Vorsitzende des belarussischen Journalistenverbandes Boris Gorezkij die Situation unabhängiger Medien als „Gang durchs Minenfeld“.
Zwei Reporterinnen des belarussischsprachigen Fernsehsender Belsat, der aus Polen sendet, weil er in Belarus nicht zugelassen ist, wurden wegen des Vorwurfs der Organisation von Protesten am 15. November 2020 festgenommen. Die 27jährige Katerina Andrejewa und die 23jährige Darja Tschulzowa, die aus dem 14. Stock eines Gebäudes einen Livestream von einer oppositionellen Demonstration drehten, wurden in Minsk zu zwei Jahren Haft in einem Straflager verurteilt. Vor Gericht mussten sie in einem Käfig erscheinen. Beide bestritten jegliches Fehlverhalten und betonten, sie hätten schlichtweg ihre Arbeit als Journalistinnen getan. Am 9. April 201 wurden sie mit dem nach dem Gründer der privaten belarussischen Nachrichtenagentur BelaPAN, Ales Lipaj, benannten Preis „Die Ehre des Journalismus“ ausgezeichnet.
Die von ihnen gefilmte Demonstration hatte zum Gedenken an den 31jährigen Roman Bondarenko stattgefunden, der verschleppt und zu Tode geprügelt worden war. Während dieser Demonstration, bei der viele Menschen verhaftet wurden, war eine Denkmal für Bondarenko errichtet worden. Alexander Lukaschenko hatte behauptet, dieser sei betrunken gewesen und in eine Prügelei geraten. Die Journalistin Katerina Borisevich widerlegte dies und wurde ebenfalls festgenommen.
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Die Bücherverbrennung am 10. Mai 1933
Heute vor 88 Jahren, am 10. Mai 1933, fand in allen größeren deutschen Städten die Bücherverbrennung statt.
Erich Kästner war einer der Autoren, dessen Werke an diesem Tage als Ausdruck des sog. „undeutschen Geistes” den „Flammen übergeben” wurden. Bewusst ging er an diesem Tag zum Berliner Opernplatz, um sich das Spektakel anzusehen. Kästner schildert dies in seinem Buch “Kennst du das Land, in dem die Kanonen blühen?” im Vorwort zu “Bei Durchsicht meiner Bücher” (Der Link führt zum Video/Lesung des Gedichtes durch Kästner):
„Im Jahre 1933 wurden meine Bücher in Berlin, auf dem großen Platz neben der Staatsoper, von einem gewissen Herrn Goebbels mit düster feierlichem Pomp verbrannt. Vierundzwanzig deutsche Schriftsteller, die symbolisch für immer ausgetilgt werden sollten, rief er triumphierend bei Namen.
Ich war der einzige der Vierundzwanzig, der persönlich erschienen war, um dieser theatralischen Frechheit beizuwohnen. Ich stand vor der Universität, eingekeilt zwischen Studenten in SA-Uniform, den Blüten der Nation, sah unsere Bücher in die zuckenden Flammen fliegen und hörte die schmalzigen Tiraden des kleinen abgefeimten Lügners. Begräbniswetter hing über der Stadt. Der Kopf einer zerschlagenen Büste Magnus Hirschfelds stak auf einer langen Stange, die, hoch über der stummen Menschenmenge, hin und her schwankte. Es war widerlich.
Plötzlich rief eine schrille Frauenstimme: ‚Dort steht ja Kästner!‘ Eine junge Kabarettistin, die sich mit einem Kollegen durch die Menge zwängte, hatte mich stehen sehen und ihrer Verblüffung übertrieben laut Ausdruck verliehen. Mir wurde unbehaglich zumute. Doch es geschah nichts. (Obwohl in diesen Tagen gerade sehr viel zu geschehen pflegte.)
Die Bücher flogen weiter ins Feuer. Die Tiraden des kleinen abgefeimten Lügners ertönten weiterhin. Und die Gesichter der braunen Studentengarde blickten, die Sturmriemen unterm Kinn, unverändert geradeaus, hinüber zu dem Flammenstoß und zu dem psalmodierenden, gestikulierenden Teufelchen. In dem folgenden Jahrdutzend sah ich Bücher von mir nur die wenigen Male, die ich im Ausland war. In Kopenhagen, in Zürich, in London.
Es ist ein merkwürdiges Gefühl, ein verbotener Schriftsteller zu sein und seine Bücher nie mehr in den Regalen und Schaufenstern der Buchläden zu sehen. In keiner Stadt des Vaterlands. Nicht einmal in der Heimatstadt. Nicht einmal zu Weihnachten, wenn die Deutschen durch die verschneiten Straßen eilen, um Geschenke zu besorgen.“
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Oskar Maria Graf war an diesem Tag in Wien. Als er von der Bücherverbrennung in Deutschland hört, ist er empört, dass seine Bücher nicht auch auf dem Scheiterhaufen landeten. Postwendend veröffentlicht er den nebenstehenden Protest: “Verbrennt mich!”
Darin heißt es:
“Vergebens frage ich mich: Womit habe ich diese Schmach verdient?[…] Nach meinem ganzen Leben und nach meinem ganzen Schreiben habe ich das Recht zu verlangen, dass meine Bücher der reinen Flamme des Scheiterhaufens überantwortet werden und nicht in die blutigen Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbanden gelangen.
Verbrennt die Werke des deutschen Geistes! Er selbst wird unauslöschlich sein wie eure Schmach!“