Unser Bei­trag am 10. Mai: Bela­rus aktu­ell und die Bücher­ver­bren­nung 1933

Wir wol­len unsere Serie nicht been­den ohne zumin­dest noch kurz auf die aktu­elle Lage in Bela­rus ein­zu­ge­hen — am Bei­spiel von drei Journalistinnen.

Anschlie­ßend erin­nern wir natür­lich auch an die Bücher­ver­bren­nung, die heute vor 88 Jah­ren in allen grö­ße­ren deut­schen Städ­ten statt­fand — in Frank­furt abends 21 Uhr mit­ten auf dem Römer­berg. Eine dort im Boden ein­ge­fasste große Pla­kette erin­nert daran.

Ver­fol­gung von drei Jour­na­lis­tin­nen in Belarus

Poli­zis­ten behin­dern die Arbeit von Jour­na­lis­ten bei einer Pro­test­kund­ge­bung in Minsk, Früh­jahr 2021

Freie Mei­nungs­äu­ße­rung war auch vor der letz­ten Prä­si­dent­schafts­wahl in Bela­rus nicht ein­fach, doch nach der Wahl am 9. August 2020 und den dar­auf fol­gen­den Pro­tes­ten und Demons­tra­tio­nen wurde alles noch schwie­ri­ger. Die Demons­trie­ren­den sahen gra­vie­rende Wahl­fäl­schun­gen und erkann­ten Alex­an­der Luka­schenko nicht als legi­ti­men Prä­si­den­ten an. Die Pro­teste wur­den stark von Frauen getragen.

Der bela­rus­si­sche Jour­na­lis­ten­ver­band hat seit Jah­res­be­ginn inzwi­schen mehr als 500 Fälle regis­triert, bei denen Rechte von Journalist:innen ver­letzt wur­den und mehr als 100 Web­sei­ten seien blo­ckiert wor­den. Eine Reihe von Zei­tun­gen kön­nen nicht mehr erschei­nen. Mehr als 20 Journalist:innen seien in Haft.

Rund 150 aus­län­di­sche Journalist:innen haben keine Akkre­di­tie­rung mehr erhal­ten. In einem Inter­view mit der Deut­schen Welle bezeich­nete der stell­ver­tre­tende Vor­sit­zende des bela­rus­si­schen Jour­na­lis­ten­ver­ban­des Boris Gorez­kij die Situa­tion unab­hän­gi­ger Medien als „Gang durchs Minen­feld“.

Zwei Repor­te­rin­nen des bela­rus­sisch­spra­chi­gen Fern­seh­sen­der Bel­sat, der aus Polen sen­det, weil er in Bela­rus nicht zuge­las­sen ist, wur­den wegen des Vor­wurfs der Orga­ni­sa­tion von Pro­tes­ten am 15. Novem­ber 2020 fest­ge­nom­men. Die 27jährige Kate­rina And­re­jewa und die 23jährige Darja Tschul­zowa, die aus dem 14. Stock eines Gebäu­des einen Livestream von einer oppo­si­tio­nel­len Demons­tra­tion dreh­ten, wur­den in Minsk zu zwei Jah­ren Haft in einem Straf­la­ger ver­ur­teilt. Vor Gericht muss­ten sie in einem Käfig erschei­nen.  Beide bestrit­ten jeg­li­ches Fehl­ver­hal­ten und beton­ten, sie hät­ten schlicht­weg ihre Arbeit als Jour­na­lis­tin­nen getan. Am 9. April 201 wur­den sie mit dem nach dem Grün­der der pri­va­ten bela­rus­si­schen Nach­rich­ten­agen­tur Bela­PAN, Ales Lipaj, benann­ten Preis „Die Ehre des Jour­na­lis­mus“ aus­ge­zeich­net.

Die von ihnen gefilmte Demons­tra­tion hatte zum Geden­ken an den 31jährigen Roman Bon­da­renko statt­ge­fun­den, der ver­schleppt und zu Tode geprü­gelt wor­den war. Wäh­rend die­ser Demons­tra­tion, bei der viele Men­schen ver­haf­tet wur­den,  war eine Denk­mal für Bon­da­renko errich­tet wor­den.  Alex­an­der Luka­schenko hatte behaup­tet, die­ser sei betrun­ken gewe­sen und in eine Prü­ge­lei gera­ten. Die Jour­na­lis­tin Kate­rina Bori­se­vich wider­legte dies und wurde eben­falls festgenommen.

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Die Bücher­ver­bren­nung am 10. Mai 1933

Heute vor 88 Jah­ren, am 10. Mai 1933, fand in allen grö­ße­ren deut­schen Städ­ten die Bücher­ver­bren­nung statt.

Es ist schwie­rig, wirk­lich alle Autor*innen zu benen­nen, deren Bücher damals ver­brannt wurde. Doch die hier genann­ten Namen gehö­ren sicher dazu.

Erich Käs­t­ner war einer der Auto­ren, des­sen Werke an die­sem Tage als Aus­druck des sog. „undeut­schen Geis­tes” den „Flam­men über­ge­ben” wur­den. Bewusst ging er an die­sem Tag zum Ber­li­ner Opern­platz, um sich das Spek­ta­kel anzu­se­hen. Käs­t­ner schil­dert dies in sei­nem Buch “Kennst du das Land, in dem die Kano­nen blü­hen?” im Vor­wort zu “Bei Durch­sicht mei­ner Bücher” (Der Link führt zum Video/Lesung des Gedich­tes durch Kästner):

„Im Jahre 1933 wur­den meine Bücher in Ber­lin, auf dem gro­ßen Platz neben der Staats­oper, von einem gewis­sen Herrn Goeb­bels mit düs­ter fei­er­li­chem Pomp ver­brannt. Vier­und­zwan­zig deut­sche Schrift­stel­ler, die sym­bo­lisch für immer aus­ge­tilgt wer­den soll­ten, rief er tri­um­phie­rend bei Namen.

Ich war der ein­zige der Vier­und­zwan­zig, der per­sön­lich erschie­nen war, um die­ser thea­tra­li­schen Frech­heit bei­zu­woh­nen. Ich stand vor der Uni­ver­si­tät, ein­ge­keilt zwi­schen Stu­den­ten in SA-Uniform, den Blü­ten der Nation, sah unsere Bücher in die zucken­den Flam­men flie­gen und hörte die schmal­zi­gen Tira­den des klei­nen abge­feim­ten Lüg­ners. Begräb­nis­wet­ter hing über der Stadt. Der Kopf einer zer­schla­ge­nen Büste Magnus Hirsch­felds stak auf einer lan­gen Stange, die, hoch über der stum­men Men­schen­menge, hin und her schwankte. Es war widerlich.

Plötz­lich rief eine schrille Frau­en­stimme: ‚Dort steht ja Käs­t­ner!‘ Eine junge Kaba­ret­tis­tin, die sich mit einem Kol­le­gen durch die Menge zwängte, hatte mich ste­hen sehen und ihrer Ver­blüf­fung über­trie­ben laut Aus­druck ver­lie­hen. Mir wurde unbe­hag­lich zumute. Doch es geschah nichts. (Obwohl in die­sen Tagen gerade sehr viel zu gesche­hen pflegte.)

Die Bücher flo­gen wei­ter ins Feuer. Die Tira­den des klei­nen abge­feim­ten Lüg­ners ertön­ten wei­ter­hin. Und die Gesich­ter der brau­nen Stu­den­ten­garde blick­ten, die Sturm­rie­men unterm Kinn, unver­än­dert gera­de­aus, hin­über zu dem Flam­men­stoß und zu dem psal­mo­die­ren­den, ges­ti­ku­lie­ren­den Teu­fel­chen. In dem fol­gen­den Jahr­dut­zend sah ich Bücher von mir nur die weni­gen Male, die ich im Aus­land war. In Kopen­ha­gen, in Zürich, in London.

Es ist ein merk­wür­di­ges Gefühl, ein ver­bo­te­ner Schrift­stel­ler zu sein und seine Bücher nie mehr in den Rega­len und Schau­fens­tern der Buch­lä­den zu sehen. In kei­ner Stadt des Vater­lands. Nicht ein­mal in der Hei­mat­stadt. Nicht ein­mal zu Weih­nach­ten, wenn die Deut­schen durch die ver­schnei­ten Stra­ßen eilen, um Geschenke zu besorgen.“

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Arbeiter-Zeitung vom 12. Mai 1933

Oskar Maria Graf war an die­sem Tag in Wien. Als er von der Bücher­ver­bren­nung in Deutsch­land hört, ist er empört, dass seine Bücher nicht auch auf dem Schei­ter­hau­fen lan­de­ten. Post­wen­dend ver­öf­fent­licht er den neben­ste­hen­den Pro­test: “Ver­brennt mich!”

Darin heißt es:
“Ver­ge­bens frage ich mich: Womit habe ich diese Schmach ver­dient?[…] Nach mei­nem gan­zen Leben und nach mei­nem gan­zen Schrei­ben habe ich das Recht zu ver­lan­gen, dass meine Bücher der rei­nen Flamme des Schei­ter­hau­fens über­ant­wor­tet wer­den und nicht in die blu­ti­gen Hände und die ver­dor­be­nen Hirne der brau­nen Mord­ban­den gelan­gen.
Ver­brennt die Werke des deut­schen Geis­tes! Er selbst wird unaus­lösch­lich sein wie eure Schmach!“

Die Jour­na­lis­tin Kate­rina And­re­jewa wurde von einem Minsker Gericht zu zwei Jah­ren Straf­la­ger verurteilt.

Im glei­chen Pro­zess wurde auch Darja Tschul­sowa zu zwei Jah­ren Straf­la­ger ver­ur­teilt. „Die­ses Will­kür­ur­teil zeigt, dass die bela­rus­si­schen Behör­den in ihrem Kampf gegen unab­hän­gige Medien jeg­li­ches Maß ver­lo­ren haben. Es hat ganz klar das Ziel, Jour­na­lis­tin­nen und Jour­na­lis­ten durch Abschre­ckung mund­tot zu machen“, sagt der Geschäfts­füh­rer von “Repor­ter ohne Gren­zen” Chris­tian Mihr.

Die Jour­na­lis­tin Kate­rina Borisevich

„Die Drei­gro­schen­oper” von Ber­tolt Brecht, Erst­druck­aus­gabe, 1928

„Erfolg — drei Jahre Geschichte einer Pro­vinz”, Lion Feucht­wan­ger beschreibt in die­sem Roman in ver­schlüs­sel­ter Form Aspekte des Auf­stiegs Hit­lers und der NSDAP, ver­fasst 1927–1930.

„Die Krise der Sozi­al­de­mo­kra­tie — eine Gefäng­nis­ar­beit von Dr. Rosa Luxem­burg.” 1913 hatte Rosa Luxem­burg in Frank­furt gesagt: „Wenn uns zuge­mu­tet wird, die Mord­waf­fen gegen aus­län­di­sche Brü­der zu erhe­ben, so erklä­ren wir: Nein, das tun wir nicht!“ Auf­grund die­ser Äuße­run­gen wurde sie 1914 wegen “Auf­for­de­rung zum Unge­hor­sam” zu 14 Mona­ten ver­ur­teilt. Im Ber­li­ner Gefäng­nis schreibt sie die­ses Buch und ruft darin auch die Arbei­ter zum Wider­stand gegen den Ers­ten Welt­krieg auf.

Joa­chim Rin­gel­natz: „Flug­zeug­ge­dan­ken.” Rin­gel­natz war bekannt für seine humo­ris­ti­sche, oft auch skur­ri­len Gedichte: “Mein Herz und mein Gewis­sen schlägt / Lau­ter als der Pro­pel­ler. /Du Flug­zeug, das so schnell mich trägt, /Flieg schneller! …”

“Die Welt­bühne” (März 1929) hrsg. von Kurt Tucholsky und Carl von Ossietzky. Tuchols­kys Name stand bereits auf der ers­ten Aus­bür­ge­rungs­liste der NS-Regierung vom August 1933. Ossietzky wurde schon Ende Februar 1933 ver­haf­tet und starb 1938 an den Fol­gen der KZ-Haft. 1936 bekam er den Friedensnobelpreis.