6. –10. Okto­ber 2021

Bürgermeister Thomas Winkler begrüßt unsere Gäste und betont dabei die große Bedeutung, die die Aufarbeitung der Geschichte in Mörfelden-Walldorf hat. Zu wissen, dass hier in der eigenen Heimatgemeinde Walldorf eine KZ-Außenstelle bestand, in der 1.700 junge ungarische Jüdinnen unter unmenschlichen Bedingungen inhaftiert waren, lastet schwer und ist zugleich eine Verpflichtung für unser Handeln und unser Verantwortungsbewusstsein heute.
Bür­ger­meis­ter Tho­mas Wink­ler begrüßt unsere Gäste und betont dabei die große Bedeu­tung, die die Auf­ar­bei­tung der Geschichte in Mörfelden-Walldorf hat. Zu wis­sen, dass hier in der eige­nen Hei­mat­ge­meinde Wall­dorf eine KZ-Außenstelle bestand, in der 1.700 junge unga­ri­sche Jüdin­nen unter unmensch­li­chen Bedin­gun­gen inhaf­tiert waren, las­tet schwer und ist zugleich eine Ver­pflich­tung für unser Han­deln und unser Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein heute.
Cornelia Rühlig, Vorstandsvorsitzende der Stiftung, beschreibt unseren Gästen die genaue Lage der KZ-Außenstelle und die Inhalte der Tafeln des historischen Lehrpfades, der rund um das ehemalige Lagergelände angelegt wurde. Hier zur Lage in Ungarn, dem dortigen Antisemitismus, der Weigerung der ungarischen Regierung die jüdische Bevölkerung zu deportieren. Dies geschah erst nach dem Einmarsch der Wehrmacht im März 1944. Innerhalb weniger Wochen wurden nun fast 500.000 Menschen nach Auschwitz-Birkenau deportiert – darunter die Mütter und Großmütter unserer Gäste mit ihren Familien.
Cor­ne­lia Rüh­lig, Vor­stands­vor­sit­zende der Stif­tung, beschreibt unse­ren Gäs­ten die genaue Lage der KZ-Außenstelle und die Inhalte der Tafeln des his­to­ri­schen Lehr­pfa­des, der rund um das ehe­ma­lige Lager­ge­lände ange­legt wurde. Hier zur Lage in Ungarn, dem dor­ti­gen Anti­se­mi­tis­mus, der Wei­ge­rung der unga­ri­schen Regie­rung die jüdi­sche Bevöl­ke­rung zu depor­tie­ren. Dies geschah erst nach dem Ein­marsch der Wehr­macht im März 1944. Inner­halb weni­ger Wochen wur­den nun fast 500.000 Men­schen nach Auschwitz-Birkenau depor­tiert – dar­un­ter die Müt­ter und Groß­müt­ter unse­rer Gäste mit ihren Familien.
Wir ste­hen an einer Ecke der ehe­ma­li­gen KZ-Außenstelle. Anfang Okto­ber 1944 wur­den von hier 34 junge Frauen, die nicht mehr arbeits­fä­hig waren, abtrans­por­tiert und erschos­sen. Eine von ihnen war Jolán Spe­ter, eine Tante von Mar­git Hor­váth. Sie beschreibt den Abschied fürchterlich.
Das Horváth-Zentrum errich­te­ten wir über den frei­ge­leg­ten Mau­ern des Kel­lers, in dem die jun­gen Mäd­chen und Frauen 1944 oft geprü­gelt wur­den. Auf den Glas­schei­ben sind die Namen und Fotos von ehe­ma­li­gen Inhaf­tier­ten. Die neuen Fotos, die uns die Gäste zur Ver­fü­gung stell­ten, sind noch mit einer Folie abgedeckt.

Nun haben wir die Gele­gen­heit kon­kret über eure Fami­lien zu sprechen …

Benoit beginnt: Meine Mut­ter, Magda Hol­lan­der, ist in Nyí­re­gy­háza auf­ge­wach­sen, eine Klein­stadt im Osten Ungarns. Als ihre Fami­lie ins Ghetto umzie­hen musste, war Ihr Vater schon erkrankt. Er starb noch vor der Depor­ta­tion. Im Mai 1944 wurde meine Mut­ter zusam­men mit ihrer Mut­ter (Esther) und ihrer Schwes­ter Irén nach Auschwitz-Birkenau depor­tiert. Ihre Mut­ter und die vier Jahre jün­gere Schwes­ter wur­den sofort nach der Ankunft ermor­det. D.h. meine Mut­ter, damals 17 Jahre alt, war nun allein. Nach dem Krieg lebte sie zunächst in Bel­gien, ab 1954 in Frank­reich. Durch viele Gesprä­che mit einer Katho­li­kin, die ihr half und die sie sehr unter­stützte, ent­schließt sich meine Mut­ter zum katho­li­schen Glau­ben überzutreten …

Und wann fing Magda an dar­über mit euch Kin­dern zu sprechen?

Mitte der 1970er Jahre war meine Mut­ter schwer erkrankt. Wir hat­ten Angst, dass sie ster­ben würde. Ich denke, in die­ser Zeit ent­stand bei ihr der Gedanke, ein Buch zu schrei­ben über ihre Zeit im KZ. Wir wuss­ten aber nichts davon. Eines Tages legte sie es uns hin „Les che­mins du temps“. Ich denke, es war ihr sehr wich­tig, dass wir erfuh­ren, was ihr in den Lagern geschah. Ich war damals 17 Jahre alt. Sie hat es für uns geschrieben

Wie hast du dar­auf rea­giert, was hat das für dich bedeutet?

Ich war damals ein Teen­ager und habe die Bedeu­tung damals, glaube ich, noch nicht erkannt. Sie hat auch wei­ter­hin wenig mit uns dar­über gespro­chen. Und auf Fra­gen ant­wor­tet sie nur, wenn sie es möchte. Sonst fin­det sie viele Aus– und Umwege.

Ihr Buch erschien 1977; ein Jahr spä­ter gab es einen gro­ßen Skan­dal in Frank­reich, als Louis Dar­quier de Pelle­poix, Ver­ant­wort­li­cher für „Juden­fra­gen“ unter dem Vichy-Regime, in einem Inter­view sagte, in Ausch­witz seien nur Läuse ver­gast wor­den. Das erschüt­terte und empörte meine Mut­ter zutiefst und hat dazu nun auch öffent­lich sehr oft gespro­chen. Inner­halb der Fami­lie aber blieb vie­les wei­ter­hin unaus­ge­spro­chen und unklar.

Wie ging es dir, Bar­bara? Enke­lin­nen haben ja meist eher die Mög­lich­keit Fra­gen zu stel­len als die Kin­der der Holocaustüberlebenden?

Bar­bara: In bestimm­ter Weise ging es mir ähn­lich wie mei­nem Vater. Magda ist so. Sie ant­wor­tet auf Fra­gen nur, wenn sie es will. Aber ich habe mich viel mit der jüdi­schen Geschichte beschäf­tigt. Ich weiß, dass es für Holo­caust­über­le­bende schwer ist sich zu erin­nern. So kann sie z.B. auch nicht mehr Unga­risch spre­chen. Sie ver­steht ihre Mut­ter­spra­che noch, aber sie kann sie nicht sprechen.

Magda hatte nie­man­den aus der Fami­lie bei sich im Lager. Als jun­ges Mäd­chen in so einer Situa­tion ganz auf sich alleine gestellt zu sein, ist extrem. Sie sagte selbst ein­mal, dass sie eine Amne­sie habe, einen Gedächt­nis­ver­lust — ver­mut­lich ist auch das eine Form der Über­le­bens­ar­beit nach 1945.

Eine Freun­din hatte sie bei sich, Mar­tha. Zu ihr hatte sie nach 1945 noch jahr­zehn­te­lang Kon­takt. Mar­tha besuchte uns häu­fi­ger, lebte aber wei­ter­hin in Belgien.

 

Benoit, Sohn der ehe­ma­li­gen Inhaf­tier­ten Magda Hollander.

 

Bar­bara, Enke­lin der ehe­ma­li­gen Inhaf­tier­ten Magda Hollander.

 

Zsuz­s­anna, Toch­ter der ehe­ma­li­gen Inhaf­tier­ten Agnes Bühel.

 

Camille, Enkel der ehe­ma­li­gen Inhaf­tier­ten Agnes Bühel.

 

Gun­hild, sie war mit dem Sohn einer ehe­ma­li­gen Inhaf­tier­ten Ver­hei­ra­tet. Ihr Mann wurde als klei­nes Kind nach Nor­we­gen geschickt, um ihn zu ret­ten. Die Mut­ter des klei­nen Jun­gen, Frida Grün­feld, über­lebte nicht.

 

Nina, Enke­lin der ehe­ma­li­gen Inhaf­tier­ten Frida Grün­feld. Sie recher­chierte 15 Jahre die Bio­gra­phie ihrer Großmutter.

 

Tho­mas, Enkel der ehe­ma­li­gen Inhaf­tier­ten Frida Grünfeld.