“Geboren in Ungarn,
deportiert in ein deutsches KZ…“
Bi-nationales Projekt in Paks und Budapest
Im Herbst 2006 organisiert die Margit-Horváth-Stiftung ein weiteres Projekt zur Aufarbeitung der Geschichte der KZ-Außenstelle Walldorf. Gesucht werden dieses Mal vor allem die Spuren einiger ungarischer Mädchen und Frauen, die 1944 in Walldorf 1944 ermordet wurden.
Wir fuhren mit zehn Jugendlichen aus Deutschland in die ungarische Kleinstadt Paks und nach Budapest.
Vom 15.-23. Oktober hielt sich die Gruppe in Paks auf.
Gemeinsam mit gleichaltrigen ungarischen Schülerinnen und Schülern beschäftigten sie sich mit der jüdischen Geschichte dieser Stadt, forschten im Archiv nach familiengeschichtlichen Daten einiger junger Frauen, die 1944 von hier zunächst nach Auschwitz und anschließend nach Walldorf deportiert worden waren. Sie führten Gespräche mit älteren Bürgern, die sich noch die Juden von Paks und den Einmarsch der deutschen Wehrmacht, das Ghetto und die Deportation erinnern konnten.
Die 17-jährige Rita schreibt dazu:
“Die Archivarbeit mit den ungarischen Jugendlichen hat Spaß gemacht, war jedoch zugleich ernsthaft und traurig. Wir hielten alte Bücher in den Händen, um nach Daten bereits verstorbener, jüdischer Familien aus Paks zu suchen. Familien, die eine grausame Zeit durchlebt haben und von denen Familienmitglieder im Außenlager Walldorf waren. Tatsächlich wurden wir fündig. Für mich waren die Momente, in denen wir etwas über eine Person, nach der wir suchten, herausfanden sehr ergreifend. Immerhin bestand die Möglichkeit Verwandte zu finden, die diese Zeit überlebt hatten…”
Vera Dotan, Überlebende der KZ-Außenstelle Walldorf, begleitete die Gruppe, berichtete selbst von ihren Erinnerungen an die damalige Zeit, half im Gespräch den jungen Menschen zu verstehen und zu verarbeiten, was damals geschah.
Die 14-jährige Sabina schreibt:
“I couldn’t imagine how a Holocaust survivor could handle with his memories before I met Vera Dotan. I was deeply impressed by her inner strength, by the way she could talk about the past and by the love she gave to us…”
Prof. Dr. György Haraszti hielt ein Referat über die Geschichte des ungarischen Judentums und des ungarischen Antisemitismus vom späten 19. Jh. bis etwa 1960. Professionell ist dies sein Spezialgebiet; zugleich ist er Sohn einer der Überlebenden der KZ-Außenstelle Walldorf.
Ergänzend zur intellektuellen Arbeit der Gruppe wurde gemeinsam eine Tanz– und Bewegungseinheit entwickelt, in der die Familienbiographie einer der o.g. Frauen szenisch dargestellt wurde.
Die 14-jährige Leonie erinnert sich:
“In the moment when I heard Vera’s story I was shocked but a day later you feel so empty, you can say to you that it had been so terrible and cruel but you can’t imagine what really happened. All the things are so unreal. It’s imaginable but you can’t really feel it. It was very interesting to see the old handwriting in the archive and it was a wonderful feeling if we found something out. Cause of all the impressions we got, it was very good that we could process our acquire with Birgit Schüller.”
Anschließend fuhr die deutsche Gruppe nach Budapest, traf dort weitere Zeitzeugen/Holocaustüberlebende, führte mit ihnen Interviews durch, besuchte verschiedene jüdische Einrichtungen der Hauptstadt — v.a. die Große Synagoge, Wallenberg-Denkmal und das Holocaustmuseum.
Gleichzeitig beschäftigte sich die Gruppe mit den Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag des Ungarnaufstandes 1956 — vor allem mit der sehr unterschiedlichen Rezeption durch die verschiedenen politischen Parteien heute.
Die 21-jährige Julia aus Kiew/Ukraine, die ebenfalls am Camp teilgenommen hatte, schreibt in der Rückschau auf die zehn Tage:
“Dieses Projekt hat mir die allerwichtigste Sache beigebracht:
Je näher wir uns selber kommen, desto näher kommen wir den anderen.
Das ist meiner Auffassung nach der einzige Weg zur Verständigung. Nur wenn du dir selbst zuhören kannst, bist du in der Lage, den anderen zuzuhören. Nur die innere Einstellung, offen zu sein, ermöglicht diesen Prozess der Verständigung.
So offenherzig war Vera — jeder konnte von ihrem Gesicht, Blick, Lächeln, Träne ein Stückchen Wahrheit ablesen.”
Erlebnisberichte einiger Teilnehmer der deutschen Gruppe finden Sie rechts in der Fotoleiste.
Das Folgeprojekt: Präsentation des “Rollbahn”-Films im “Museum of Jewish Heritage” New York City.