Über­sicht über das gesamte Pro­gramm des Work­shops mit Anga­ben zur Zusam­men­set­zung der Gruppe

 

Unser ers­ter gemein­sa­mer Tag: Wło­dawa mit Vor­trag in der Syn­agoge, Museum, Stadt­rund­gang und Kino

Der Marktplatz von Wlodawa in den 1920er Jahren.
Der Markt­platz von Wlo­dawa in den 1920er Jahren.
Straße in Wlodawa, frühe 1930er Jahre
Straße in Wlo­dawa, frühe 1930er Jahre

1939 hatte diese Klein­stadt reich­lich 8.000 Ein­woh­ner, über 70 % (d.h. 5.650) davon waren Jüdin­nen und Juden (5.650 Per­so­nen). Heute lebt keine ein­zige jüdi­sche Fami­lie mehr in Wło­dawa. Um 1900 gehör­ten 177 der 184 Geschäfte Juden, ebenso eine Ger­be­rei oder auch eine dampf­ge­trie­bene Mühle. Es gab meh­rere Syn­ago­gen und jüdi­sche Schu­len, zudem zahl­rei­che jüdi­sche Orga­ni­sa­tio­nen — so die sozialistisch-zionistische Poale Zion, den all­ge­mei­nen jüdi­schen Arbei­ter­bund (“Bund”) und ebenso einige tra­di­tio­nelle reli­giöse, ortho­doxe Gruppierungen.

Dr. Marek Bem erklärt unserer Gruppe in der alten Synagoge die historischen Zusammenhänge der sog. "Aktion Reinhard".
Dr. Marek Bem erklärt unse­rer Gruppe in der alten Syn­agoge die his­to­ri­schen Zusam­men­hänge der sog. “Aktion Reinhard”.

Dr. Marek Bem, His­to­ri­ker und frü­he­rer Direk­tor des Muse­ums Sobi­bór, erläu­terte eini­ges zur Geschichte die­ser Region und spe­zi­ell zur sog. „Aktion Rein­hardt, d.h. der Tötung von über zwei Mil­lio­nen Juden und  50.000 Roma  im Gene­ral­gou­ver­ne­ment Polen zwi­schen Juli 1942 und Okto­ber 1943 in den drei Ver­nich­tungs­la­gern Bel­zec, Sobi­bór und Treb­linka.

Neobaraocker Toraschrein von 1936 in der Großen Synagoge von Wlodawa.
Neo­ba­rao­cker Tora­schrein von 1936 in der Gro­ßen Syn­agoge von Wlodawa.

Anschlie­ßend besich­ti­gen wir nebenan die von Paweł Antoni Fon­tana 1764–1774 erbaute baro­cke Große Syn­agoge mit dem auf­fäl­li­gen neo­ba­ro­cken  Tora­schrein von  1936 (restau­riert 1983). An den bei­den Längs­sei­ten ste­hen nun Vitri­nen, in denen ritu­elle Gegen­stände der jüdi­schen Gemeinde gezeigt werden.

Am 18. Sep­tem­ber 1939 besetz­ten deut­sche Sol­da­ten Włodawa.

"Aktzia" -  ab Mai1942 wurden die Juden von Wlodawa zusammengetrieben und deportiert.
“Akt­zia” — ab Mai1942 wur­den die Juden von Wlo­dawa zusam­men­ge­trie­ben und deportiert.

Auf Anord­nung der Deut­schen wurde im Okto­ber 1939 der „Juden­rat“ gebil­det; er musste z.B. bereits im Herbst 1939 inner­halb von 24 Stun­den 50.000 Złoty von der jüdi­schen Bevöl­ke­rung ein­zie­hen und an die Wehr­macht ablie­fern. Im Früh­jahr 1940 wur­den jüdi­sche Geschäfte von Wło­dawa ent­eig­net oder unter beson­dere Ver­wal­tung gestellt. Zahl­rei­che jüdi­sche Fami­lien, die in den Haupt­stra­ßen wohn­ten und arbei­te­ten, muss­ten inner­halb kür­zes­ter Zeit ihre Häu­ser verlassen.

Zwi­schen dem 18. und 23 Mai 1942 wurde die erste große sog. „Aktion“ in Wło­dawa durch­ge­führt. 1.200 Juden, die nicht mehr in der Lage waren zu arbei­ten, wur­den von Deut­schen und ukrai­ni­schen Hilfs­mann­schaf­ten beim Kino zusam­men­ge­trie­ben und von dort aus zum Bahn­hof gebracht und ins Ver­nich­tungs­la­ger Sobi­bór depor­tiert, das u.a. von Juden aus Wło­dawa erbaut wor­den war. Viele wei­tere Depor­ta­tio­nen nach Sobi­bór folg­ten – bis zum letz­ten Trans­port im April 1943.

Ein­zelne wag­ten es damals, sich in die umlie­gen­den Wäl­der zu flüch­ten, sich den Par­ti­sa­nen anzu­schlie­ßen, über den Fluss Bug in das nahe­ge­le­gende sowje­ti­sche Gebiet zu flüch­ten oder sich bei pol­ni­schen Bau­ern in der Region zu verstecken.

Heute gibt es keine jüdi­sche Gemeinde in Wlo­dawa. Die Große Syn­agoge ist nun eine Art Museum.

Die Große Synagoge von Wlodawa ist heute ein Museum und Raum für kulturelle Veranstaltungen.
Die Große Syn­agoge von Wlo­dawa ist heute ein Museum und Raum für kul­tu­relle Veranstaltungen.

Nach einem Rund­gang durch das heu­tige Zen­trum von Wło­dawa und einem Blick über den Bug hin­über nach Weiß­russ­land setz­ten wir am Nach­mit­tag unser Pro­gramm im Kino fort, sahen noch­mals zahl­rei­che Film­bei­spiele, u.a. auch Aus­schnitte aus dem Film Escape from Sobibor/Flucht aus Sobi­bor.

 

 

 

 

 

 

Während unseres Stadtrundganges durch Wlodawa.
Wäh­rend unse­res Stadt­rund­gan­ges durch Wlodawa.
Vor uns liegt der Fluss Bug, die Grenze nach Weißrussland.
Vor uns liegt der Fluss Bug, die Grenze nach Weißrussland.

 

 

Renée
Renée

David Joon and Renée Mens from the Nether­lands sum­ma­ri­zed the day:

On the first day in Poland we went to an old syn­ago­gue and recei­ved a long speech by Dr. Marek Bem, a his­to­rian from the area. He tal­ked about the Jewish popu­la­tion of Wlo­dawa, dis­cus­sed how the holo­caust could have hap­pened and how we can prevent it in the future.

As well he tal­ked about Sobi­bór and other death camps.

He showed us a few short films about Sobi­bór and the holo­caust. Later that day, after having visi­ted a church and a restau­rant, we went to a cinema and wat­ched a docu­men­tary about the Holo­caust. It was good that we got all this infor­ma­tion before we visi­ted the two camps Majda­nek and Sobibór.”

Madiha (li.) während des Stadtrundganges durch Wlodawa.
Madiha (li.) wäh­rend des Stadt­rund­gan­ges durch Wlodawa.

Die 15-jährige Madiha beschreibt noch am glei­chen Abend die Irri­ta­tion, die diese Stadt bei ihr auslöste :

English ver­sion

Wir haben den Tag in der Stadt Wło­dawa ver­bracht. Was ich mich aber frage, ist, warum dort so gut wie nichts los war. Es war mit­ten am Tag, das Wet­ter war schön, doch kaum eine Men­schen­seele zu sehen. Als dann am Abend auch noch die pol­ni­schen Mäd­chen erzähl­ten, wie belebt die Stadt sei und wie viele Feste es gäbe, konnte ich es gar nicht fassen.

Eine Straße im Zentrum von Wlodawa.
Eine Straße im Zen­trum von Wlodawa.

Vor allem nach­dem wir das Kino ver­las­sen hat­ten und uns auf den Weg zu den Bus­sen mach­ten, bemerkte ich die Stille. Viel­leicht war ich auch zu sehr bewegt von dem Film über Sobi­bór. Es war, als würde man nicht in den All­tag fin­den können.

Doch viel­leicht lebt man nun nicht mehr wirk­lich in der Stadt. Wło­dawa war ja vor dem Krieg größ­ten­teils von Juden bewohnt. Sie wur­den alle weg­ge­bracht und depor­tiert. Wer mag schon dort woh­nen, wo frü­her ganz unschul­dige Men­schen gewohnt haben, die dann ermor­det wor­den sind? Für mich wäre es nicht mög­lich jeden Tag mit die­sem Gedan­ken zu leben. So scheint dort wirk­lich die Zeit still zu ste­hen. Doch wes­halb hat dann die Gruppe der pol­ni­schen Schü­le­rin­nen sol­che Bil­der gezeigt? War ich zu sehr mit­ge­nom­men? Oder waren wir ledig­lich an einem fal­schen Tag da?”

 

Am Abend prä­sen­tier­ten die Jugend­li­chen jeweils ihr eige­nes Heimatland:

Es begannen die beiden Studentinnen aus Wien. Sie fragten nach Klischees über ihr Land und kommentierten diese. In ihrem Geschichtsstudium beschäftigen sie sich viel mit Erinnerungskulturen.
Es began­nen die bei­den Stu­den­tin­nen aus Wien. Sie frag­ten nach Kli­schees über ihr Land und kom­men­tier­ten diese. In ihrem Geschichts­stu­dium beschäf­ti­gen sie sich viel mit Erinnerungskulturen.
Die große Gruppe aus den Niederlanden begann mit dem schönen Video, in dem sich ihr Land dem neuen US-Präsident vorstellt. Anschließend  leiteten sie über zu den berühmten Attributen des Landes: vom Käse bis zu den Stroopwafels.
Die große Gruppe aus den Nie­der­lan­den begann mit dem schö­nen Video, in dem sich ihr Land dem neuen US-Präsident vor­stellt. Anschlie­ßend lei­te­ten sie über zu den berühm­ten Attri­bu­ten des Lan­des: vom Käse bis zu den Stroopwafels.
Die deutsche Gruppe thematisierte das eigene Verhältnis und Verantwortungsbewusstsein bzgl. der NS-Zeit und des Holocaust. Anschließend leitete sie über zur Charakterisierung des heutigen, stark multikulturell geprägten Lebens im Rhein-Main-Gebiet.
Die deut­sche Gruppe the­ma­ti­sierte das eigene Ver­hält­nis und Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein bzgl. der NS-Zeit und des Holo­caust. Anschlie­ßend lei­tete sie über zur Cha­rak­te­ri­sie­rung des heu­ti­gen, stark mul­ti­kul­tu­rell gepräg­ten Lebens im Rhein-Main-Gebiet.
Die urkainische Gruppe präsentierte ihr Land bewusst in einem harten Kontrast:  die Schönheit ihrer Städte und Landschaften versus den schweren Kämpfen in der Ostukraine. Sie trugen Trachtenhemden und zeigten stolz ihre blau-gelbe Flagge.
Die urkai­ni­sche Gruppe prä­sen­tierte ihr Land bewusst in einem har­ten Kon­trast: die Schön­heit ihrer Städte und Land­schaf­ten ver­sus den schwe­ren Kämp­fen in der Ost­ukraine. Sie tru­gen Trach­ten­hem­den und zeig­ten stolz ihre blau-gelbe Flagge.
Doe polnischen Jugendlichen aus Wlodawa stellten ihre Heimatregion vor, beschrieben die landschaftliche Schönheit, einzelne Sehenswürdigkeiten und größere Feste wie z. B. das jährliche "Festival der drei Kulturen" (katholisch, orthodox, jüdisch).
Doe pol­ni­schen Jugend­li­chen aus Wlo­dawa stell­ten ihre Hei­mat­re­gion vor, beschrie­ben die land­schaft­li­che Schön­heit, ein­zelne Sehens­wür­dig­kei­ten und grö­ßere Feste wie z. B. das jähr­li­che “Fes­ti­val der drei Kul­tu­ren” (katho­lisch, ortho­dox, jüdisch).

 

 

Nach den Prä­sen­ta­tio­nen konn­ten jeweils Fra­gen an die Refe­ren­ten gestellt wer­den. Die nie­der­län­di­sche Gruppe ver­teilte zudem anschlie­ßend an alle typisch hol­län­di­sche Lecke­reien. Ganz herz­li­chen Dank noch ein­mal! Der Abend klingt mit viel leb­haf­tem Geplau­dere aus.

 

 

 

 

 

 

Um den Bericht von unse­rem zwei­ten Tag zu lesen — der Besuch der Gedenk­stätte Majda­nek und Lub­lin — kli­cken Sie hier:

wei­ter­le­sen …

 

 

 

Wlodawa liegt etwa 200 km südöstlich von Warschau, direkt an der Grenze zur Ukraine und zu Weißrussland.
Wlo­dawa liegt etwa 200 km süd­öst­lich von War­schau, direkt an der Grenze zur Ukraine und zu Weißrussland.

 

Niederländische Jugendliche im Außenbereich der beiden Synagogen.
Nie­der­län­di­sche Jugend­li­che im Außen­be­reich der bei­den Synagogen.

 

Im Bogengang der alten Synagoge steht nun an zentraler Stelle diese Figurengruppe - verkörpernd den Katholizismus, die russ. Orthodoxie und das Judentum.
Im Bogen­gang der alten Syn­agoge steht nun an zen­tra­ler Stelle diese Figu­ren­gruppe — ver­kör­pernd den Katho­li­zis­mus, die russ. Ortho­do­xie und das Judentum.

 

Cornelia Rühlig erläutert den deutschen Teilnehmerinnen die Bedeutung der Bima, die Anordnung des Toraschreines etc.
Cor­ne­lia Rüh­lig erläu­tert den deut­schen Teil­neh­me­rin­nen die Bedeu­tung der Bima, die Anord­nung des Tora­schrei­nes etc.

 

Ritualgegenstände der jüdischen Gemeinde von Wlodawa sind nun in Vitrinen der "verwaisten" Synagoge ausgestellt.
Ritual­ge­gen­stände der jüdi­schen Gemeinde von Wlo­dawa sind nun in Vitri­nen der “ver­wais­ten” Syn­agoge ausgestellt.

 

Die orthodoxe Kirche der Jungfrau Maria in Wlodawa.
Die ortho­doxe Kir­che der Jung­frau Maria in Wlodawa.

 

Das Kreuz der russisch-orthodoxen Kirche.
Das Kreuz der russisch-orthodoxen Kirche.

 

Katholische Kirche und Kloster St. Louis.
Katho­li­sche Kir­che und Klos­ter St. Louis.

 

Unsere Gruppe beim Mittagessen in Wlodawa.
Unsere Gruppe beim Mit­tag­es­sen in Wlodawa.

 

Unsere Jugendlichen auf dem Marktplatz vor dem Denkmal, das an die Befreiung von der deutschen Wehrmacht erinnert.
Unsere Jugend­li­chen auf dem Markt­platz vor dem Denk­mal, das an die Befrei­ung von der deut­schen Wehr­macht erinnert.

 

Nach den Präsentationen dominiert eine sehr muntere Stimmung. Man hat sich das erste Mal gegenseitig bewusst wahrgenommen und voneinander einiges erfahren.
Nach den Prä­sen­ta­tio­nen domi­niert eine sehr mun­tere Stim­mung. Man hat sich das erste Mal gegen­sei­tig bewusst wahr­ge­nom­men und von­ein­an­der eini­ges erfahren.

 

Ein erster Tag voller Eindrücke liegt hinter uns.
Ein ers­ter Tag vol­ler Ein­drü­cke liegt hin­ter uns.